Anno 2006 wollten wir nach Irland ( 2003 ) eine sogenannte Zwischen-Kegeltour machen. Die Planung war schnell gemacht. Wir hatten keinen Plan. Einzig die Unterkunft war vorgebucht und wir hatten Karten für die BlueManGroup .
Am Prenzl ( Prenzlauer Berg ) hatten wir im Vorfeld ein Hotel gefunden, welches neben der üblichen Einzel/Doppelzimmer mit Frühstück auch Wohnungen mit Frühstück anbot. Berlintypisch waren die Wohnungen über einen Durchgang in der Häuserfassade erreichbar . Ursprünglich heißen diese Wohnanlagen mit Hinterhof „Mietskasernen“ Der einzige Teil der Wohnung , den wir exzessiv genutzt haben war am Morgen das Bad. Die Betten waren in den Folgetagen nur wenig genutzt, die Küche gar nicht .
Die Auto´s wurden am Samstag vormittag geparkt und bis zur Abfahrt nicht mehr angerührt. Fussläufig erreichbar war dann der Wochenmarkt am KätheKollwitz-Platz unser erstes Ziel . Aber trotz einer sehenswerten Gulaschkanone ( es wurde Erbsensuppe gekocht ) besuchten wir zum Elektrolyteausgleich ein traditionelles Gasthaus . Die Restauration 1900 war genau die richtige Wahl. Grosse Gläser Brandenburger Braukunst und gutes Essen wurden unter der Markise im Aussenbereich eingenommen. Diese schützte uns weniger vor der Sonne, sondern eher vor dem Regenguss , der gerade über dem Bezirk Pankow niederging.
Ohne erst über Los ( Wohnung ) zu gehen, ging es dann per U-Bahn in die City . Ich möchte hier jetzt nicht versuchen, die besuchten Orte in seiner Reihenfolge aufzulisten . Aber zusammengefasst haben wir eine stattliche Anzahl von Gebäuden, Plätzen, und Stadtbezirken während der Trinkpausen erkunden können . Besonders stolz sind wir aber noch letzte Blicke auf den zum Abriss stehenden Palast der Republik ( Erich´s Lampenladen ) geworfen zu haben.
Das Abendprogramm unseres Hauptstadtbesuches war sehr vielschichtig .
Da war zum Beispiel das DFB Pokalfinale 2006 ( Bayern München : Eintracht Frankfurt , Endstand 1 : 0 ) Dieses Match haben wir nicht im Olympiastadion gesehen, sondern in einer Sportsbar in Berlin Mitte. ( war langweilig; doch das FastFood des Ladens war ok )
Oder der Besuch der Restaurationen der Kulturbrauerei am Prinz ´l .
( unspektakulär und Standard )
In Erinnerung geblieben ist uns auch der spät nach Mitternacht gemachte Trip zur Weltzeituhr am Alex . Doch zu dieser fortgeschrittenen Uhrzeit war die Ecke ziemlich trostlos und menschenleer. Selbst die Besenkammer ( urige Szenekneipe ) war an diesem frühen Morgen verwaist . Ob wir in dieser Nacht sogar noch auf Dosenbier zurückgegriffen haben , kann ich mit einem Abstand von fast 8 Jahren nicht mehr mit Sicherheit sagen. Vor dieser nächtlichen Stadtrundfahrt waren wir bei der im Vorfeld schon erwähnten Vorstellung der Blue Man Group ( sehr geil )
Das Beste der kompletten Berlin Tour war aber der Besuch des Irish Pub im Europacenter
( am Kudamm )
Nach einem Kurzbesuch beim KaDeWe , der Gedächtniskirche und des Hard Rock Cafe´s gingen wir auf ein Pint in die Kellerbar des Europacenters. Diese irische Botschaft in Berlin ist politisch gesehen vollkommen unbedeutend, doch bezüglich seiner gastronomischen Qualitäten konnte uns das Ambiente mehr als überzeugen. Dazu kam noch die Tatsache, dass es am besagten Abend noch Live Musik geben sollte. Die Kombination aus „schwattem Bier “ und Musik hatte ja schon 3 Jahre zuvor funktioniert. Wir beschlossen daher den Hauptteil des Abends mit Guinness, Carlsberg und Musik zu gestalten.
In der Nähe der Bühne machten wir zwei zum Stehbiertisch umfunktionierte Bierfässer aus, an denen man gemütlich sein Pint geniessen konnte und gleichzeitig einen guten Blick hatte. Wir waren für viel zu früh für die Mucke und hatten somit das Terrain für uns allein. Nach Pint II und III füllte sich der Saal dann zusehends und weitere Gäste gesellten sich zu uns an den Tisch.
Den Anfang machte ein älterer Herr mit einem overdressed und unmodern anmutenden Anzug . Als Handgepäck hatte er eine profane Tragetasche aus der als erstes Utensil einen dreifach klappbaren Kleiderbügel holte . Geübt hing er dann damit seinen Mantel an einen Eichenbalken, an dem in passender Höhe ein entsprechender Haken auf Ihn wartete. Zufällig war er auf jeden Fall nicht genau an diesen Tisch gekommen. Er stellte sich dann an eine Ecke des Tisches an dem er mittels eines weiteren Klapphaken aus seiner Tasche dieselbige aufhängte. Im Verlauf der nächsten 1/2 h erzählte er uns dann sein Leben . Als pensionierter Postbeamter aus dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf lebte er 2006 immer noch in der Nähe des Ku’damm. Er zeigte uns dann noch mitgebrachte Familienfotos , welche er ebenfalls in seiner Tragetasche aufbewahrte. War verrückt oder einsam ? Irgendwie beides, aber seine Freunde und Bekannte traf er scheinbar regelmäßig an genau diesem Stehbiertisch.
Es gesellten sich dazu :
Ein türkischstämmiger , ca. 130 kg schwerer und 1,95 Meter grosser Türsteher. ( den Beruf haben wir Ihm angedichtet ) Er trug eine Anzughose , hochglänzend polierte schwarze Stiefel und ein weißes Satinhemd . Dieses war nur bis zur Hälfte zugeknöpft und man hatte freien Blick auf seine behaarte Brust. Eine fette Goldkette rundete das Bild ab.
Der nächste Knaller ließ nicht lange auf sich warten. Wir hatten auch schnell einen Namen für diesen ebenfalls männlichen Gast gefunden. Manni ( der Mantafahrer ) trug braune Cowboystiefel und passend dazu eine Jogginghose.
Während des Abends ( die Musik war übrigens eine 60´s Rock Cover Band ) kamen dann noch weitere skurrile Typen dazu. Highlight war dann noch eine farbige Mitfünfzigerin, welche wir aufgrund Ihres Outfits dem horizontalen Gewerbe zugeordnet haben.
Das besondere an dieser wilden Horde war, dass jeder jeden kannte. Als dann auch noch gegen 23:00 Uhr der typische „du wollen Rosen kaufen Verkäufer“ per Handschlag von jedem unserer Tischgäste begrüßt wurde, wussten wir dass es in Berlin keinen sicheren Platz an diesem Abend für uns geben konnte. Irgendwann hatten wir genug gestaunt, gehört und vor allem getrunken. Wir zogen los, streiften noch das Entree der Berliner Stachelschweine ( Polit Kabarett ) und machten uns über den Bahnhof Zoo auf unsere Reise nach Berlin Prenzlau.
Statt bis zur bekannten Station zu fahren , verließen wir die Bahn ein paar Stationen früher und machten die letzten Blöcke zu Fuß . Irgendeinen Absacker musste doch noch her …….
Wir strandeten dann in der M S Völkerfreundschaft . Eine Kultkneipe, welche den Namen des zu DDR Zeiten bekanntgewordenen Kreuzfahrtschiffes trug, welches während der Kuba Krise fast zum Politikum wurde. ( siehe Story auf Wiki ) Bevor das Schiff zur DDR Flotte kam hieß der Dampfer „Stockholm“ . Und unter der Flagge der Schweden hatte es auch schon Geschichte geschrieben, denn es hatte 1956 bei einer Nebelfahrt die wesentlich größere „Andrea Doria“ versenkt.
Zurück zur Bar ; das Ambiente der Bar war einfach aber gemütlich. Noch schnell ne Bulette aus dem Tresen , zwei drei Drinks und dann den Deckel auf den Abend. Und auf die Tour !
Denn am Folgetag ging es nach dem Frühstück zurück in´s Sauerland.
Eine intensive und abwechslungsreiche Kegel-Zwischentour .
Berlin ist auf jeden Fall immer eine Reise wert .
PS : Im Adlon gibt auf der Terasse auch nur Kännchen .